Was ist EMDR?
EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing, was auf Deutsch "Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung" bedeutet und wurde Ende der 1980er Jahre von Dr. Francine Shapiro in den USA zur Behandlung von Traumafolgestörungen entwickelt. 2013 erfolgte die Anerkennung der Therapiemethode durch die WHO und wurde 20214 in Deutschland als Richtlinie für die Behandlung von PTBS postuliert. Es folgte eine Weiterentwicklung für andere Störungsbilder. In Österreich wurde 2004 das EMDR-Institut Austria gegründet, das die zertifizierte Ausbildung gewährleistet.
Mittlerweile ist EMDR ist eine weltweit etablierte psychotherapeutische Methode, die wissenschaftlich intensiv beforscht ist. Vor allem für posttraumatische Belastungsstörungen wurde sie als sehr effektiv und nachhaltig wirksam bestätigt: Studien geben hier die Wirksamkeit von EMDR mit 90–95 % an.
EMDR nutzt die uns alle innewohnenden Selbstheilungskräfte des Gehirns: während des Schlafs beim Träumen verarbeiten wir die Ereignisse und Belastungen des Tages in der sogenannten REM-Phase. REM steht für „Rapid Eye Movement“ – eine Phase des Schlafes, in der wir unwillkürlich schnelle bilaterale Augenbewegungen machen. Dies sorgt dafür, dass alle Erfahrungen und Ereignisse gut in unserem Langzeitgedächtnis abgelegt werden können. Dort sind sie eingeordnet wie in einer Bibliothek – verfügbar, wenn wir uns daran erinnern wollen, aber „still“ und nicht belastend in der Gegenwart.
Was passiert nun bei potentiell traumatisierenden Ereignissen?
Ist die Belastung zu groß, weil das Ereignis unseren Bezugsrahmen sprengt, wir noch zu jung sind, wir (noch) nicht robust genug sind, etc. findet unser Gehirn andere Möglichkeiten. Das Ereignis wird abgespalten und zersplittert weggepackt und kommt ins Alarmzentrum. Damit schützt uns das Gehirn vor als unerträglich bewerteten Erfahrungen und leistet damit einen wesentlichen Beitrag für unser Überleben. Diese Erfahrungen landen somit aber nicht in der Bibliothek des „stillen“ Langzeitgedächtnisses, sondern bleiben im Alarmzentrum, wo sie uns in der Gegenwart, die objektiv nicht mehr bedrohlich ist, immer wieder „vor die Füße purzeln“ und belasten. Es werden die alten, mit dem ursprünglich erlebten Ereignis verbundenen Gefühle, Gedanken und Körperempfindungen wieder und wieder erlebt und stellen in der Gegenwart eine große Belastung dar.
Was macht EMDR?
EMDR nutzt die bilaterale Stimulation zur Verarbeitung. Ziel ist ja, die belastenden Ereignisse aus dem Alarmsystem in den stillen Langzeitspeicher, unsere individuelle Bibliothek, ablegen zu können.
Ein zentrales Element der EMDR-Behandlung ist die Nachverarbeitung der belastenden Erinnerung unter Nutzung bilateraler Stimulation: Die Patientin bzw. der Patient folgt den Fingern der Therapeutin mit den Augen, während diese ihre Hand abwechselnd nach rechts und links bewegt. Diese Stimulation unterstützt das Gehirn, die eigenen Selbstheilungskräfte zu aktivieren und die belastenden Erinnerungen zu verarbeiten. Diese Stimulation findet im wachen Zustand statt und hat nichts mit Hypnose zu tun.
Das Ergebnis eines abgeschlossenen EMDR-Prozesses zu einem Thema ist, dass sich die zuvor belastende Situation nicht mehr belastend anfühlt. Selbstbild und Selbstbewusstsein haben sich in eine positive Richtung bewegt. Oft ist schon direkt danach eine Wirkung im Alltag spürbar.
Um sicherzustellen, dass das Trauma und alle mit ihm verbundenen Symptome fachlich fundiert aufgearbeitet werden können, empfiehlt der Fachverband EMDRIA Deutschland e.V., eine Behandlung nur von qualifizierten Ärzt:innen und Psycholog:innen durchführen zu lassen, die über eine Spezialausbildung in der EMDR-Methode verfügen.
Mit EMDR können behandelt werden:
- posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
- Auswirkungen belastender Lebenserfahrungen
- starke Trauer nach Verlusterlebnissen
- Folgen von Bindungstraumatisierungen
- Depressionen
- Angst- und Panikstörungen
- psychophysische Erschöpfungssyndrome
- chronische Schmerzen
- stoffgebundene Abhängigkeit (besonders im Zusammenhang mit einer Traumafolgestörung)
Informationen & Ablauf
EMDR kann und soll in den laufenden psychotherapeutischen Prozess integriert werden. Im EMDR zeichnen sich aber klar voneinander getrennte und aufeinander aufbauende Phasen ab:
Belastungslandkarte: Zu Beginn werden wir uns Ihren Lebensweg und Ihre Erfahrungen genauer anschauen, immer mit Blick auf die Belastungen aber auch auf die Ressourcen. Wir suchen nach aktuellen Triggern, die aus der Vergangenheit bis in die Gegenwart hineinwirken und widmen uns auch möglichen Ängste, die in der Zukunft liegen.
Positive Verstärkung: In der nächsten Phase probieren wir erstmals die bilaterale Stimulation aus und nutzen sie als positive Verstärkung der Ressourcen.
Reprozessieren mittels bilateraler Stimulation: In der dritten Phase, die auch mehrere Einheiten in Anspruch nehmen kann, beginnen wir die belastenden Ereignisse mittels bilateraler Stimulation zu bearbeiten. Die in der ersten Phase erstellte Landkarte gibt uns hier Orientierung. Die Wirkung von EMDR setzt hier ein.
Nachbesprechung: Wir nehmen uns in der Nachbesprechung ausreichend Zeit, um den weiteren therapeutischen Prozess zu reflektieren und eventuell neue Perspektiven und Ziele zu definieren.